Bei der Testamentseröffnung stellen Sie voller Schrecken fest, dass Sie wider Erwarten im Testament des Erblassers nicht berücksichtigt wurden. Was nun?! Keine Sorge, durch einen gesetzlich im Bürgerlichen Gesetzbuch (kurz BGB) geregelten Pflichtteilsanspruch haben Sie die Möglichkeit, vielleicht doch noch ein Stückchen vom Kuchen zu erben. Dafür müssen drei Sachverhalte erfüllt sein:
- Der Nachlass ist geregelt, d.h. es liegt ein Testament oder Erbvertrag vor.
- Sie gehören zu den Kindern, sind Ehepartner oder – in manchen Fällen – ein Elternteil des Erblassers und wurden im Testament oder Erbvertrag nicht berücksichtigt.
- Sie haben keinen Pflichtteilsverzicht abgegeben.
Sollten die o.g. Bedingungen erfüllt sein, sind Sie pflichtteilsberechtigt und können Ihren gesetzlichen Anspruch auf Pflichtteil am Erbe verlangen. Der Pflichtteilsanspruch sichert Ihnen somit einen Mindestanteil am Nachlass des Erblassers zu und bezieht sich – im Gegensatz zum Erbe selbst – ausschließlich auf finanzielle Leistungen.
Ermittlung des Pflichtteilsanspruchs
Um die tatsächliche Höhe des Pflichtteilsanspruchs zu berechnen, müssen zwei Faktoren ermittelt werden. Neben dem Gesamtwert des Nachlasses ist ebenso wichtig, Ihre Erbquote laut gesetzlicher Erbfolge zu bestimmen. Die Hälfte der ermittelten gesetzlichen Erbquote ist Ihr Pflichtteilsanspruch.
Als Pflichtteilsberechtigter haben Sie gegenüber dem Erben einen Anspruch auf Auskunft über Bestand und Wert des Nachlasses am Todestag. Um bspw. Immobilien oder weitere Wertgegenstände bewerten zu lassen, kann ein Sachverständiger beauftragt werden. Dies muss durch den Erben veranlasst werden, da dieser zu jenem Zeitpunkt als Einziger Zugang zu Immobilien, bzw. Zugriff auf Wertgegenstände hat. Die hierbei entstehenden Kosten werden als Nachlassverbindlichkeiten betrachtet und – genauso wie z.B. Schulden des Erblassers oder Beerdigungskosten – vom Nachlass abgezogen.
Bei der Ermittlung des Gesamtwertes sind ebenfalls Schenkungen zu berücksichtigen. Hierfür werden alle Schenkungen an den Ehepartner während der gemeinsamen Ehe sowie Schenkungen grundsätzlich der letzten 10 Jahre an andere Personen miteinbezogen. In diesem Falle spricht man von einem Anspruch auf Pflichtteilsergänzung.
Wichtig ist, dass Sie Ihren Pflichtteilsanspruch innerhalb von drei Jahren geltend machen, andernfalls verjährt dieser. Die Frist beginnt allerdings erst am Ende des Jahres, in dem der Erblasser verstorben ist. Eine weitere Voraussetzung ist, dass Sie als Pflichtteilsberechtigter vom Tod des Erblassers und Ihrer Enterbung in Kenntnis gesetzt wurden oder von dem Umstand des Sterbefalls hätten wissen müssen.
Den Pflichtteil verringern
Falls Sie als Erblasser in Ihrem Testament einen Verwandten ausgeschlossen haben, dann hat dies sicherlich seine berechtigten Gründe. Selbstverständlich wollen Sie dann verhindern, dass der besagte Verwandte über den gesetzlichen Pflichtteilsanspruch doch noch von Ihrem Vermögen profitiert. Um dies zu verhindern oder zumindest den Pflichtteil zu verringern, gibt es einige Tipps und Tricks im Erbrecht.
Wie bereits erwähnt, werden bei der Ermittlung des Nachlasses auch Schenkungen berücksichtigt. Anstatt Ihr Vermögen zu verschenken, können Sie dieses durch einen Übergabevertrag an Ihre Kinder oder andere Personen, wie z.B. Eltern, weiterreichen. Damit der Übergabevertrag nicht als Schenkung zählt und somit doch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslöst, bedarf es bestimmter Formulierungen und einiger Raffinesse in der Ausarbeitung des Vertrages. Mehr zum Thema Übergabevertrag und dessen Auswirkungen im Erbfall erfahren Sie hier.
Der Pflichtteilsverzicht als strategisches Mittel
Der Pflichtteilsverzicht ist ein komplexes, wenn auch effektives Mittel, um noch zu Lebzeiten und im vollen Umfang Ihrer Kontrolle Ihr Erbe nach den eigenen Wünschen zu regeln. Dabei erklärt sich der Unterzeichner damit einverstanden, auf seinen Pflichtteil im Erbfall zu verzichten.
Obwohl durch den Verzicht auf den Pflichtteil eine negative Grundhaltung suggeriert wird, liegt genau das Gegenteil vor. In den meisten Fällen werden Pflichtteilsverzichte nicht dazu genutzt, um bestimmte Verwandte vom Erbe auszuschließen, sondern stattdessen das Einverständnis innerhalb der Erbfolge sicherzustellen. Beispielsweise erhält eines von mehreren Kindern das Hausgrundstück der Eltern, weil es selbst dort wohnt und die Eltern im Alter versorgt. Die anderen Kinder unterzeichnen dann einen Pflichtteilsverzicht, sodass diese keine Ansprüche an dem Haus im Erbfall verlangen können. Es liegt demnach keine emotionale, sondern vielmehr eine strategische Motivation vor. Wie dieses Beispiel zeigt, müssen Pflichtteilsberechtigte nicht auf ihren gesamten Anspruch am Erbe verzichten. Es ist auch möglich, einen anteiligen Pflichtteilsverzicht am Erbe abzugeben. Dieser ist dann gegenständlich beschränkt, z.B. auf das Haus oder das Unternehmen, das von einem Kind geerbt wird.
Wichtig ist, dass der Pflichtteilsverzicht notariell beurkundet wird, da er nur dann seine volle Gültigkeit erhält. Er hindert Sie zudem nicht daran, den Verwandten als Erben im Testament einzusetzen und diesen so in die Erbfolge miteinzuplanen.
Mit dem Pflichtteil das Erbe planen
Wer die Kontrolle über sein Vermögen auch über den Tod hinaus behalten möchte, tut gut daran, Pflichtteilsansprüche von vornherein zu berücksichtigen, etwa durch die Erbeinsetzung mit einer hinreichenden Quote oder durch Aussetzung eines entsprechend großen Vermächtnisses. Pflichtteilsverzichte werden als wichtiges strategisches Mittel in der Nachfolgeplanung eingesetzt, um den Frieden innerhalb der Erbfolge nach Ihrem Todesfall zu bewahren.
Fachanwältin für Erbrecht Elke Kestler findet mit Ihnen eine passende Lösung, um Ihren eigenen Interessen sowie denen Ihrer Kinder und etwaiger Pflichtteilsberechtigter gerecht zu werden. Vereinbaren Sie einen Termin zum Erstgespräch und räumen Sie auf in Ihrer Nachfolgeplanung!
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Text das generische Maskulinum verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. An dieser Stelle sei auch gesagt, dass das Easy Erbrecht Infoportal und dessen Inhalte ausschließlich von Frauen produziert wird.