Das Erbrecht hat die Aufgabe, über den Tod hinaus sicherzustellen, dass das Eigentum des Verstorbenen nicht untergeht, sondern stattdessen durch Rechtsnachfolge – geregelt durch ein Testament oder nach der gesetzlichen Erbfolge – weitergegeben wird. Das, was weitergegeben wird, wird im Erbrecht als Nachlass bezeichnet. Der Nachlass umfasst in Deutschland nicht nur materielles Vermögen, sondern auch nicht-materielle Rechte und Pflichten.
Was ist der Nachlass?
Der Nachlass wird durch die Universalsukzession, auch als Gesamtrechtsnachfolge bezeichnet, automatisch auf die Erben übertragen. Dies bedeutet, dass nicht nur Sachvermögen, sondern auch nicht-materielle Anteile wie Rechte und Verbindlichkeiten auf die Erben übergehen. Im digitalen Zeitalter spielt besonders der Digitale Nachlass eine immer größere Rolle im Erbrecht. Ganz nach dem Motto „Der Erbe tritt in die Fußstapfen des Erblassers“ gilt es, das Nachlassvermögen ganzheitlich zu betrachten.
Erben mehrere Personen, dann ist der Nachlass Gesamthandeigentum und stellt somit ein gesamthänderisch gebundenes Sondervermögen dar. Zu Deutsch bedeutet dies, dass die Erben nur gemeinschaftlich über das Gesamtvermögen verfügen können – und jeder Einzelne nur ganzheitlich über seinen Anteil. Klingt immer noch kompliziert? Ist es eigentlich nicht! Das folgende Beispiel wird dies verdeutlichen.
Stellen Sie sich vor, Sie kaufen mit Ihrem Ehepartner ein Grundstück. Dieses Grundstück wird Ihnen und Ihrem Ehegatten zu je 50% gehören. Somit haben Sie die Möglichkeit, Ihre Hälfte des Grundstücks frei nach eigenem Willen zu veräußern. Man spricht hier von Miteigentum. Das Gesamthandeigentum ist das Gegenstück zum Miteigentum. In diesem Fall können Sie nur gemeinschaftlich mit Ihrem Ehepartner über das Grundstück verfügen. Wollen Sie es weiterverkaufen, so müssen Sie beide damit einverstanden sein. Auf den Erbfall übertragen müssen alle Erben einer Meinung sein, um über den Nachlass zu bestimmen.
Wirkliches Konfliktpotential birgt diese Regelung nur, wenn mehrere Erben eingesetzt werden und steigt zudem mit der Erbenanzahl. Denn als Alleinerbe, was allerdings nach gesetzlicher Erbfolge in den wenigsten Fällen vorkommt, müssen Sie nicht einer Meinung mit weiteren Erben sein und können frei über den Nachlass verfügen. Kein Wunder, dass es in Fällen mit mehreren Erben häufig zu Reibereien kommt!
Sollten Sie gar kein Interesse an Ihrem Nachlassanteil haben, so können Sie diesen ganzheitlich an eine andere Person abtreten - selbstverständlich gegen eine angemessene Entschädigung.
Was fällt unter den Nachlass?
Nun die spannende Frage, was genau dem Nachlass zuzuordnen ist. Der Stichtag hierfür ist der Todestag des Verwandten. Der Umfang des Nachlasses wird explizit im BGB aufgeführt und ist – wie Sie sich bestimmt vorstellen können – eine komplexe Angelegenheit im deutschen Erbrecht.
Wenn Sie an den Nachlass denken, dann kommen Ihnen vielleicht als Erstes Immobilien, Schmuckgegenstände und Bargeld in den Sinn. Das ist auch richtig so. Neben Kapital- und Barvermögen gehören sowohl der private Besitz als auch Immobilien zum Nachlass. Doch damit nicht genug. Auch Rechte und Verbindlichkeiten werden vererbt. So müssen Sie als Erbe für offene Schulden aufkommen und übernehmen die Rechte und Verpflichtungen aus bestehenden Verträgen. Der Digitale Nachlass gewinnt zunehmend an Bedeutung, ist aber trotz des Facebook-Urteils des BGH immer noch regelungsbedürftig. Fest steht jedoch, dass der Erbe laut deutschen Erbrecht Anspruch auf Zugangsdaten von Providern, wie E-Maildiensten, Social-Media-Kanälen oder weiteren Onlinediensten, hat.
Der Nachlass ist komplex und kann in keinem Fall verallgemeinert werden. Viele individuelle Faktoren spielen hier eine Rolle. War der Erblasser ein Unternehmer? Gehören zum Besitz Waffen? Welche Vorkehrungen wurden getroffen, um Anteile des Nachlasses bestimmten Institutionen oder Organisationen zukommen zu lassen?
Wer haftet für den Nachlass?
Besonders wenn Sie Schulden des Erblassers übernehmen, spielt die Haftung eine wichtige und oftmals sogar essentielle Rolle für Sie als Erben. Stellen Sie sich vor, das Nachlassvermögen ist zu gering, um vererbte Schulden zu tilgen. Was tun Sie nun? Nun, in Deutschland gesetzlich geregelt ist, dass Sie als Erbe mit Ihrem eigenen, privaten Vermögen haften. Das ist sozusagen die Ausganssituation im Erbfall, allerdings keinesfalls die optimale Lösung. Daher haben Sie nun zwei Möglichkeiten zum weiteren Vorgehen:
- Sie beantragen Nachlassinsolvenz. Dies bedeutet, dass ein Insolvenzverwalter sich in Ihrem Namen um die Angelegenheit kümmert. Ähnlich wie bei einem normalen Insolvenzverfahren, kann der Nachlass entweder zahlungsunfähig oder überschuldet sein. Entscheidend ist hier, dass der Insolvenzverwalter Ihnen die gesamte Sache abnimmt und Sie daher als Erbe kein Mitspracherecht mehr besitzen.
- Sie beantragen bei der Nachlassverwaltung, dass Ihr Privatvermögen vom Nachlassvermögen getrennt wird. Somit wird der Nachlass zum Sondervermögen mit beschränkter Haftung. In diesem Fall behalten Sie als Erbe die volle Kontrolle über die Angelegenheit und können weiterhin Entscheidungen im weiteren Umgang mit der Sache treffen.
Ob Sie sich für einen Antrag auf Nachlassinsolvenz oder eine Trennung Ihres Vermögens entscheiden, ist allein Ihre Entscheidung. Der ausschlaggebende Punkt jedoch ist die Kontrolle, die Sie weiterhin über die Angelegenheit besitzen.
Was Sie tun können?
Es wird deutlich, dass der Nachlass weitaus mehr als nur der Schmuck der Mutter oder die Uhrensammlung des Großvaters ist. Auch nicht-materielle Rechte und Verbindlichkeiten gehen auf die Erben über. Mit der richtigen Methode können Sie Ihr Privatvermögen vom Nachlass trennen und somit Ihre eigene Existenz sichern. Auch verständlich ist, dass das Nachlassvermögen von Fall zu Fall unterschiedlich ausfällt und individuell betrachtet werden muss. Aus diesem Grund ist es unmöglich, allgemeine Aussagen zum genauen Umfang des Nachlasses zu treffen.
Sollten Sie weitere Fragen zum Nachlass oder anderen Fragen zur Erbschaft haben, steht Ihnen Fachanwältin Elke Kestler gerne mit Rat und Tat zur Seite. Nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf und vereinbaren Sie einen Termin.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Text das generische Maskulinum verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. An dieser Stelle sei auch gesagt, dass das Easy Erbrecht Infoportal und dessen Inhalte ausschließlich von Frauen produziert wird.