Niemand denkt gerne an die dunklen Zeiten des Lebens, wenn Krankheit und Alter unmerklich das Leben langsam zum Ende bringen. Gerade damit in diesen Zeiten das eigene Leben oder das Ihrer Angehörigen und Ehepartner so reibungslos wie möglich verläuft, gilt es frühzeitig zu agieren. Die Rede ist von der Vorsorgevollmacht: ein effektives Werkzeug, um einer gerichtlichen Betreuung entgegen zu wirken.
Was ist eine Vorsorgevollmacht?
Mit diesem Dokument legen Sie fest, wer in Ihrem Namen handeln darf, wenn Sie dazu nicht (mehr) in der Lage sind. Man spricht vom sogenannten Vollmachtgeber und Bevollmächtigten. Da Sie dem Bevollmächtigten große Verantwortung und Spielraum übertragen, ist es ratsam sich gut zu überlegen, wem Sie dieses Vertrauen entgegenbringen. In der Regel sind dies der Ehepartner oder Familienangehörige. Es ist allein Ihre Entscheidung, wen Sie an dieser Stelle einsetzen möchten.
Wenn Sie die Reichweite Ihrer Entscheidung bedenken, ist es nur logisch und nachvollziehbar, den Ehepartner als Vollmachtnehmer einzusetzen. Oftmals wird hier nicht bedacht, dass der Ehepartner in der Regel im ähnlichen Alter ist und daher nicht unbedingt die richtige Wahl ist, um Sie bei durch Alter oder Krankheit hervorgerufener Handlungsunfähigkeit zu vertreten. In der Praxis hat sich deshalb etabliert, noch einen zweiten oder sogar dritten Bevollmächtigten einzutragen. Hierbei sollte geregelt werden, ob die Bevollmächtigten alle gemeinsam handeln oder nach einer Rangfolge eingesetzt werden.
Kann die VV eingeschränkt werden?
Ja, ganz nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ können bestimmte Bereiche ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Dies wird sogar empfohlen! Weit verbreitete Einschränkungen sind z.B. die Höhe der Summe, die der Bevollmächtigte von Ihrem Konto innerhalb eines gewissen Zeitraums abheben kann. Genauso können Sie bestimmen, an wen Schenkungen durchgeführt werden dürfen. Sie können auch festlegen, dass der regelmäßige Kontakt zu Freunden und Angehörigen auf jeden Fall fortbestehen soll, wenn Sie selbst nicht mehr handlungsfähig sind.
Ab wann ist die VV rechtskräftig?
Die Vollmacht ist formfrei, muss demnach nicht mit der Hand geschrieben werden wie bspw. das Testament und somit auch nicht vom Notar beglaubigt werden. Irrtümlicherweise wird oftmals angenommen, dass die Vorsorgevollmacht erst dann in Kraft tritt, wenn Sie nicht mehr handlungsfähig sind. Dies ist nicht der Fall. Sobald Ihre Unterschrift geleistet wurde, ist das Dokument rechtskräftig – unabhängig von Ihrem mentalen und physischen Zustand.
Dies ist auch richtig so. Stellen Sie sich vor, es wäre anders. Der von Ihnen bestimmte Bevollmächtigte muss in Ihrem Namen handeln. Anstatt schnell handeln zu können, müsste zuerst Ihre Handlungsunfähigkeit nachgewiesen werden. Hierzu ist eine ärztliche Bescheinigung oder sogar ein Gutachten nötig, das nur unnötig Zeit verschwenden würde. Aus diesem Grund ist die Vorsorgevollmacht sofort gültig.
Braucht ein Ehepartner oder Angehöriger eine VV?
Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass Sie als Angehöriger oder Ehepartner keine Vorsorgevollmacht benötigen. In Deutschland gibt es keine gesetzliche Stellvertretung unter Volljährigen, welche es Ihrem Ehepartner oder Angehörigen erlaubt, Ihre Angelegenheiten zu klären. Ohne Vorsorgevollmacht sind Sie daher machtlos, wortwörtlich. Dies kann so weit gehen, dass Ihnen der Besuch bei Ihrer Liebsten im Krankenhaus verwehrt wird oder Sie noch nicht einmal erfahren, wie schlimm es um Ihren Sohn tatsächlich steht.
Ab welchem Alter ist eine VV sinnvoll?
Sobald eine Person das 18. Lebensjahr vollendet hat, empfehlen wir die Errichtung einer Vorsorgevollmacht. Es ist leicht nachzuvollziehen, warum eine ältere Person vorsorgen sollte – warum aber ein junger, kerngesunder Mensch?
Die Antwort ist recht einfach: Das Leben ist unberechenbar. Wir wünschen Ihnen und Ihren Angehörigen nur das Beste, aber wissen Sie, ob Ihr Sohn morgen in einen Autounfall verwickelt wird? Oder Ihre Ehefrau bei der nächsten Geschäftsreise eine Krankheit bekommt? Was, wenn plötzlich Krebs diagnostiziert wird? Sie können die Zukunft nicht vorhersehen, aber die richtige Vorsorge ist hier der Schlüssel.
Übrigens, minderjährige Kinder benötigen keine Vorsorgevollmacht. Vor dem 18. Lebensjahr haben Eltern von Gesetzes wegen das Recht der elterlichen Sorge inne.
Wie wird im Notfall über die VV informiert?
An diesem Punkt besteht noch Optimierungspotential in der Praxis. Es gibt keinen zentralen Ort, auf den Krankenhäuser, Ärzte, Banken und Privatpersonen Zugriff haben, um das Vorliegen einer Vorsorgevollmacht im Notfall zu überprüfen.
Als gängige Praxis hat sich daher eingebürgert, ein kleines Kärtchen mit allen wichtigen Informationen im Geldbeutel zu verwahren. Auf dieser Karte sollte stehen, dass Sie eine Vorsorgevollmacht besitzen, wer der Bevollmächtigte ist und wie dieser kontaktiert werden kann. Im digitalen Zeitalter bietet es sich ebenfalls an, entsprechende Daten in der Notfallkarte Ihres Smartphones zu hinterlegen. So erleichtern Sie im Notfall die Suche nach wichtigen, manchmal sogar überlebensnotwendigen Informationen.
Wo sollte die VV aufbewahrt werden?
Da die Vorsorgevollmacht sofort gültig ist, sollte sie nicht leichtfertig dem Bevollmächtigten zur Verfügung gestellt werden – selbst wenn es sich bei diesem um Ihre Vertrauensperson handelt. Das Original verbleibt daher in der Verwahrung des Vollmachtgebers.
Es ist essentiell, dass der Bevollmächtigte über den Aufbewahrungsort in Kenntnis gesetzt wird. Sie sollten außerdem kommunizieren, wie im Notfall auf die Vollmacht zugegriffen werden kann im Falle, dass die Vollmacht hinter Schloss und Riegel liegt oder in einem Safe sicher verwahrt wird. Denn ohne das Original kann der Bevollmächtigte nicht handeln.
Sie können Ihre Vorsorgevollmacht zusätzlich im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer eintragen lassen. Hier wird aber nicht die Vorsorgevollmacht physisch hinterlegt, sondern lediglich Daten erfasst, wie die Kontaktdetails der Vertrauensperson.
Was geschieht, wenn Sie nicht selbst vorsorgen?
Dann ordnet ein Gericht die Betreuung an, denn: In Deutschland ist gesetzlich geregelt, dass jeder Volljährige, der aufgrund von Alter oder Krankheit nicht mehr selbst handeln kann, einen Betreuer benötigt. Aufgabe des Betreuers ist es, den Betreuten in allen rechtlichen Belangen zu vertreten sowie medizinische Behandlungen anzuordnen. Ein Betreuer entscheidet, ob oder wie viel Geld Ihnen zur Verfügung steht. Er kümmert sich um den Brief- und Telefonverkehr, entscheidet über Besuche und regelt alle weiteren rechtlichen Angelegenheiten. Kurzum, diese Person hat die volle Kontrolle über Ihr Leben. Keine schöne Vorstellung, wenn man bedenkt, dass der Betreuer in der Regel eine vom Betreuungsgericht eingesetzte wildfremde Person ist.
Es geht sogar so weit, dass diese fremde Person über medizinische Behandlungen am Lebensende entscheidet. Besonders unschön ist dies, wenn der Betreuer versäumt, eine wichtige Untersuchung anzuordnen oder den Betreuten aufgrund fehlender emotionaler Nähe nicht ordentlich umsorgt. Da dieser Umstand besonders weitreichende Folgen hat, wird er gesondert durch eine Patientenverfügung geregelt. Hier regeln Sie, welche medizinischen Behandlungen oder lebenserhaltenden Maßnahmen Sie in Ihrem letzten Lebensabschnitt wünschen. Wenn Sie mehr über die Patientenverfügung erfahren wollen, lesen Sie gerne im passenden Artikel zur Patientenverfügung weiter.
Mit der Betreuungsverfügung die VV umgehen?
In der Betreuungsverfügung legen Sie fest, welche Personen vom Gericht als Ihr Betreuer eingesetzt werden können. Aus diesem Grund denken Viele, dass eine Vollmacht gar nicht vonnöten ist, wenn durch die Betreuungsverfügung sowieso Ihre gewünschte Person „bevollmächtigt“ wird. Dies ist ein Irrtum, denn die vom Betreuungsgericht eingesetzte Person hat bei Weitem nicht so viel Entscheidungsbefugnis wie der durch eine Vollmacht eingesetzte Bevollmächtigte. Beispielsweise unterliegt der vom Gericht eingesetzte Betreuer der gerichtlichen Aufsicht, das Gericht kann den Betreuer in seinen Entscheidungen einschränken – und das Betreuungsgericht ist zudem nicht verpflichtet, die in der Betreuungsverfügung festgelegte Person als Ihren Betreuer einzusetzen. Mit einer Vorsorgevollmacht sind Sie daher auf der sicheren Seite!
Die Bankvollmacht: ein Sonderfall
Als Bevollmächtigter haben Sie die Verantwortung, sich um die finanziellen Belange des Vollmachtgebers zu kümmern. Da im Bankensystem verstärkte Sicherheitsvorkehrungen herrschen, wird die Vorsorgevollmacht aus Sorge vor Haftungsfällen oftmals nicht akzeptiert. Zahlreiche Gerichtsurteile widerlegen dies jedoch.
Eine Bankvollmacht zusammen mit der Vorsorgevollmacht zu erstellen, ist daher nicht ratsam, denn auch diese ist mit Unterschrift sofort gültig. Abgesehen davon, kann es schnell zu Unstimmigkeiten kommen, wenn unterschiedliche Vertrauenspersonen in den beiden Vollmachten eingesetzt werden, was in der Praxis nicht selten der Fall ist.
Sorgen Sie vor!
Sie sehen, ob Sie vorsorgen oder nicht, hat weitreichende Auswirkungen. Eine Vorsorgevollmacht ist jedoch nicht in Stein gemeißelt. Sie kann selbstverständlich widerrufen werden und sollte sogar dringend regelmäßig an die dynamische Justiz angepasst werden.
Sogenannte “Ankreuz-Formulare” kursieren im Internet und versprechen eine schnelle Bearbeitung mit geringem bürokratischem und finanziellem Aufwand. Wir warnen ausdrücklich vor dem Gebrauch dieser Ankreuz-Formulare. Diese sind meist unvollständig und regeln Ihre Belange daher nur ungenügend.
Nehmen Sie die Zügel selbst in die Hand und erstellen eine Vorsorgevollmacht nur mit professioneller und kompetenter Beratung! Nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf, gemeinsam regeln wir Ihre Vorsorge.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Text das generische Maskulinum verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. An dieser Stelle sei auch gesagt, dass das Easy Erbrecht Infoportal und dessen Inhalte ausschließlich von Frauen produziert wird.